Das Buch "Habitats Abandonnés – une Histoire de Beyrouth" hat mich neugierig auf die Arbeit von Gregory Buchakjian gemacht, insbesondere auf "Habitats abandonnés | Tableaux. 2009-2016".
Verschiedene Gründe veranlassten Gregory Buchakjian dazu 2009 das Projekt zu beginnen. Einer der wichtigsten Gründe sind wohl die Kindheitserinnerungen an den Krieg, die eigene Stadt als junger Mensch bombardiert und zerstört zu sehen, die Heimat verlassen und Zuflucht finden zu müssen. Beirut war/ist auch eine Stadt, die an Immobilienspekulationen, Missachtung von Kulturerbe und Umweltschutzgesetzen und Korruption krankt/e. All diese Umstände führten dazu, dass hunderte von zum Teil historisch wertvollen Gebäuden von ihren Bewohnern und Bewohnerinnen mit dem Ziel geräumt wurden sie dem Erdboden gleich zu machen und durch grosse Siedlungen zu ersetzen. Das Projekt war ein Mittel, um eine leise Erinnerung von dem zu bewahren, was zu verschwinden begann.
Die meisten Bilder der Gebäude sind rein technisch und dokumentarisch aufgenommen und haben keine menschliche Präsenz. Die Serie "Habitats abandonnés | Tableaux. 2009-2016" hingegen hat einen performativen Ansatz. Im Bewusstsein, dass diese Räume, den Menschen mit Gewalt – durch Krieg oder Geld – genommen wurden, ist es verständlich, dass Gregory Buchakjian sie sich wieder aneignen wollte, um sie zu reinstallieren. Er hat Leute gebeten mit ihm an diese Orte zu gehen und hat sie fotografiert, als ob sie dort leben würden.
" J'ai éliminé les présences masculines car celles-ci, dans un intérieur en ruines pouvaient évoquer des combattants - même s'il y a eu également des femmes combattantes - et me suis limité à des femmes."
Gregory Buchakjian
Auf die Frage, ob es eine Hoffnung auf bessere Zukunft gibt, gibt es mehrere Antworten. Die Anwesenheit von Frauen könne als Mittel zur Pflege und Wiederbelebung dieser Orte gesehen werden. Deshalb könne es als ein Zeichen der Hoffnung gesehen werden. Was die Situation im Land betrifft, ist komplexer. Als die Revolution am 17. Oktober 2019 ausbrach wurden alle Schulen und Institutionen während drei Wochen geschlossen. Seit November wurde die Arbeit allmählich wieder aufgenommen.
"Depuis, les manifestations ont surtout lieu la nuit. La situation au Liban est extrêmement grave et préoccupante. Nous sommes dans une crise aiguë due à une mauvaise gouvernance et une corruption monstrueuse, l'économie et le système financier sont en train de s'effondrer. Le mois de janvier s'annonce particulièrement difficile, avec de nombreuses faillites et cessations de payements. Le mouvement de contestation risque de prendre de nouvelles formes. Nous avons des mois voire des années très difficiles devant nous - on parle d'un risque de famine cet hiver - mais espérons pouvoir rebâtir le pays sur des bases plus saines, plus justes, plus tolérantes. Le mouvement de protestation a déjà généré un élan de solidarité considérable à travers la société".
Gregory Buchakjian
In den letzten 150 Jahren war Beirut Zeuge eines Zyklus von ungezügeltem Wachstum, Krieg, wirtschaftlichen und sozialen Krisen und Migrationsbewegungen. In diesem Gebiet, das unaufhörlich zerstört und wiederaufgebaut, zerstört und regeneriert wird, hat Gregory Buchakjian ein künstlerisches Projekt und eine Forschung über verlassene Wohnungen durchgeführt. Mit der Bestandsaufnahme von 744 Gebäuden, der Sammlung von Archiven und Zeugnissen, einer Dissertation und der Erstellung von fotografischen Tableaus mit den von durchhängenden Möbeln und Müllhaufen umgebenen Subjekten, schlägt der Prozess, der das vorliegende Buch ausmacht, neue Perspektiven auf die Stadt vor, aber auch Instrumente, um sie in Zeiten, in denen sie mit verschiedenen Formen von Gewalt konfrontiert ist, zurückzuerobern.
Gregory Buchakjian (*1971) lebt und arbeitet in Beirut. Er ist Kunsthistoriker, visueller Künstler und Direktor der l'École des Arts Visuels à l’Académie Libanaise des Beaux-Arts. Mit der Serie "Nighthawks" kam 2006 die Fotografie dazu. Seine Arbeiten wurden in Ausstellungen (Sursock Museum, Beirut, Villa Empain-Fondation Boghossian, Brussels und anderen) und während Festivals (Noorderlicht Photofestival) präsentiert.
"Habitats Abandonnés – une Histoire de Beyrouth", Kaph Books, ISBN: 978-614-8035-12-8
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